José Luis de Delás (1928–2018) Les Paroles et l'Air
[Orch] 1986 Dauer: 21'
Picc.2.A-Fl.2.Eh.2.B-Klar.2(Kfg) – 3.2.2.0. – Schl(2) – Hfe – Klav(Cel) – Str
UA: Madrid, 21. Februar 1987
Arturo Tamayo gewidmet
Beim Lesen eines Buches über die Kultur Occitaniens im 12. Jh. fiel mir ein Brief Marcabrus auf, in dem er einem anderen Troubadour ankündigte, daß er ihm Text und Musik (Les paroles et l'air) eines Liedes schicken werde, das er gerade geschrieben hatte.
Diese Verbindung von paroles et lair im Sinne von Sprache und Musik hat mich dazu angeregt, dem Orchesterstück, das ich gerade komponierte, diesen Titel zu geben, nicht zuletzt weil das Stück im Zusammenhang mit einer Grundidee aus dem Gedichtband von Blas de Oteros Poesía con nombres (Poesie mit Namen) steht. In jedem dieser engagierten und zutiefst menschlichen Gedichte (entstanden zwischen 1950 und 1976) zitiert Blas de Otero den Namen eines Freundes oder Künstlers, den er liebte oder dem er sich verbunden fühlte. Meine Idee war meinerseits eine »Musik mit Namen« zu schreiben, in der bestimmte literarische Texte (manchmal nur einige Worte oder Bilder) musikalisch interpretiert werden und die wiederum unabhängige Klangstrukturen bilden
In einem Gedicht der deutschsprachigen jüdischen Schriftstellerin Rose Ausländer kommt z.B. die Sehnsucht nach einer Welt zum Ausdruck, in der alles Niederträchtige überwunden ist und wahre Brüderlichkeit existiert. In seinem Gedicht »Krieg« (»Guerre«) beschreibt Andre Breton mit Abscheu die perversen Kräfte der grauenhaften Selbstzerstörung. Die Dimension der Fremdheit der Dinge tritt mit erstaunlicher Modernität in einem Gedicht des katalanischen Renaissance-Dichters Pere Torroella zutage. Schließlich haben noch Fragmente aus Gedichten Blas de Oteros zum Klangcharakter an einigen Stellen des Stückes geführt.
Das Stück ist in verschiedene Abschnitte gegliedert, von denen jeder einzelne mit einem bestimmten Text in Verbindung steht. Es gibt kurze Motive, harmonische Strukturen, Materialgruppen und eine Siebentonreihe, die aber nur an bestimmten Stellen auftreten und eine Beziehung zwischen einigen Abschnitten des Stückes herstellen. Vereinzelt treten konsonante Akkorde auf, die von anderen Elementen überlagert werden und die vage tonale Reminiszenzen hervorrufen. Entscheidender aber als die Existenz von Motiven, rhythmischen Figuren, usw. ist für die Gesamtform des Stückes das, was der Musikwissenschaftler Reinhold Brinkmann als »Expressionslogik« bezeichnet: Eine Kompositionsweise, in der sich die Musik aus ihrem eigenen Impuls entwickelt, ohne daß sie sich primär nach vorgegebenen Elementen richtet.
(José Luis de Delás)