Theo Brandmüller (1948–2012) Cis-umsungend
4 Klangfabeln [GCh,Org] 1995 Dauer: 22'
8S8A8T8B – Org
Uraufführung: Amsterdam, 16. Mai 1996
An den Kammerchor Saarbrücken und seinen Leiter Georg Grün gewidmet
"Von der Liebe singen, sie um-, an- und besingen, ein quasi unerschöpfliches, sich durch die ganze Musikgeschichte als roter Faden ziehender 'Cantus firmus' mit großem Formen- und Gestaltungsreichtum, in bewegten und bewegenden Sprachbildern ausformuliert in weltlicher, aber auch geistlicher Musik. Eine intellektuelle, dabei doch sinnliche Übertragung jener 'alten' Sprachbilder und Metaphern schwebte mir vor, als ich den Text, meinen Text meiner Liebespoesie zu erfinden begann, es galt 'Sprachliches' zu finden, eine Meta-Sprachlichkeit auszuhören, die ihrerseits Assoziationsketten ein- und auszulösen in der Lage ist, ähnlich den Sprachbildern der Troubadours, der Madrigalisten und denen der „romantischen Schwärmer'' im 19. Jahrhundert. 'Javida-jamidár-jasmidár-jasminja' im 1. Carillonmadrigal, beispielsweise ist eine solche Textsequenz, deren von mir gesteuerte kompositorische Verwandlung von 'javida' über 'jasmidár' zu 'jasminja' etwa vom lebensbejahenden spanischen Leben allgemein, dann vom Jasmin, dann von nirio (vom kleinen Kindchen) erzählt, das also vom mir liebgewordenen Spanien, vom dort mir liebgewordenen betörend-duftenden Jasmin und von 'Jasmin Kindern', also 'Blumenkindern' 'vokal' (in vielen Wiederholungen) 'erzählt', also singt.
Daß eine 'Liebe, die sich nicht zeigt' (2. Madrigal) quasi textlos, also auch sprachlos bleibt, ist sicher ebenso evident zu verstehen, wie das 'Metalateinisch' im 3. Madrigal 'Zeit-fuge'. Dieses Stück ist eher von geistlicher Musik inspiriert: Tonmalerisch wird ein 'Ave Maria' ausgedeutet: 'Ave maresó - Ave mare sonjá', aber auch das Wort 'sonja' und 'mare' (das Meer als Hort sinnlicher Erfüllung, so Federico Garcia Lorca in seinen andalusischen Romanzen) finden Einklang in dieses Meta-latein. Im 4. Madrigal 'Von der Liebeserinnerung' spricht auch ein Virelai: 'C'est la fins' von Guillaume d'Amiens in altfranzösisch, erinnern Bruchstücke des deutsch-sprachigen Isaac-Satzes 'Innsbruck ich muß Dich lassen' gewissermaßen als 'Antippquellen' an 'Altes': Eine Art 'Fantasie-Organum', polytempisch binnengestaltet, umsummt und umsingt die Liebe über die Jahrhunderte hinweg. 'Cis-umsungend' gibt aber auch Auskunft über das Verwoben-sein des Textes mit meinen (Lieblings)-tönen. Der Ton cis, beispielsweise, bildet harmonisch den Beziehungsschwerpunkt für alle 'Mäander der Melodien', bildet zudem die Achse, aus der alle klanglichen Ereignisse und Abenteuer kompositorisch 'ausgelebt' werden."
(Theo Brandmüller)
CD:
Monika Meyer-Schmidt (Sopran), Thomas Layes (Orgel), KammerChor Saarbrücken, Ltg. Georg Grün
CD audite 97.456