Jörg Birkenkötter (*1963) Klänge Schatten
[Ens] 1989/90 Dauer: 23'
Fl(Picc).Ob(Eh).Klar(B-Klar).Fg(Kfg) – Hn.Trp.Pos – Schl(3) – Hfe – Klav(Cel) – Vl.Va.Vc.Kb
UA: Köln, 24. März 1990
Jörg Birkenkötter im Gespräch mit Carolin Naujocks (DeutschlandRadio Berlin, Juli 1994) zu "Klänge Schatten":
Es ist so, daß das ... im Nachhinein fast pathetisch ist an vielen Stellen, da wird fast etwas zelebriert an Klängen oder an Klangkonstellationen (z. B. Oktavstimme mit Pauken und Blech), es ist dann auf einmal beides: es ist dieses Pathos da und es ist gleichzeitig die Möglichkeit, den Klang zu beobachten... man kann sehen, was akustisch los ist, außer, dass es fortissimo-Oktaven sind. Ich weiß nicht, ob man es "dialektisch" nennen kann, ich denke schon: da es ständig hin und her geht zwischen diesen gesetzten, signalhaften und auch pathetischen Ansätzen, aber dass intern eben doch wieder gearbeitet wird ... Es gibt etwas Semantisches, aber das entzieht sich dem Zugriff auch schnell wieder, dadurch, dass dann aus dieser Tradition von Strukturalismus her sich die Dinge auch materialintern weiterentwickeln. Und dann können möglicherweise auch ganz andere Bedeutungsebenen dadurch erschlossen werden. Aber es ist natürlich nicht so, dass ich mit Bedeutungen komponieren kann, das geht, glaube ich, nicht. Die schwingen mit, diese Bedeutungen, die müssen mit berücksichtigt werden. Das ist, glaube ich, bei einigen Komponisten, die so sehr an diesem Strukturdenken hängen, das Missverständnis, dass das in sich selbst kreist. Und ich kann ganz tolle Strukturen entwerfen und am Ende sind doch wieder irgendwelche Dinge drin, die mich über eine emotionale Ebene ganz woanders berühren, als ich das vielleicht innerhalb der Struktur mal gedacht habe. Und ich finde es interessant, diese Stellen, wo das umkippt. Also z. B. in "zur Nähe, voran" (Becken als Mittel zum Höhepunkt, das Pathetische noch drin, aber schon wieder weg, weil als Strukturmittel benutzt, ganz in der Mitte Klangfeld von Streichern, gelöst aus Versatzstücken, mit denen das Stück angefangen hat).
Schatten: Dunkler Raum hinter beleuchteten Dingen.
Verschiedene charakteristische Klangkonstellationen tauchen innerhalb des Stückes mehrmals wieder auf und werden jeweils von unterschiedlichen Seiten her beleuchtet.
Ähnliches oder gleiches wird durch andere Umgebung zu etwas anderem, Neuem - auch Fremden.
Schatten Rosen Schatten
Unter einem fremden Himmel
Schatten Rosen
Schatten
auf einer fremden Erde
zwischen Rosen und Schatten:
in einem fremden Wasser
mein Schatten
(Ingeborg Bachmann)
Zwischen fremden Klängen
mein Klang?
Jörg Birkenkötter