Vorwort

Die vorliegende Neuausgabe von Bachs Orgelmusik ist für die Praxis bestimmt und basiert auf dem aktuellen Stand der Bachforschung. Die Ergebnisse der bisher vorliegenden textkritischen Ausgaben werden berücksichtigt, aber nicht in ganzer Breite dargestellt.

Die Ausgabe enthält
– die Werke, die im BWV (Kleine Ausgabe 1998) als „Orgelwerke“ verzeichnet sind (BWV 525–771) sowie im Anhang aufgeführte Orgelwerke nach Maßgabe des gegenwärtigen Stands der Echtheitsdiskussion.
– Werke, die im BWV als „Klavierwerke“ geführt werden, für die aber die Verwendung des Pedals in den Quellen vorgeschrieben bzw. aus grifftechnischen Gründen unumgänglich ist, außerdem die innerhalb des III. Teils der Clavierübung gedruckten vier Duetti.

Werke, an deren Autorschaft Zweifel bestehen („Incerta“), werden dann in den Notenband aufgenommen, wenn ihre Echtheit nach heutiger Kenntnis hinreichend wahrscheinlich ist. Werke zweifelhafter Echtheit, bei denen Bachs Autorschaft unter textkritischen Gesichtspunkten nicht ausgeschlossen werden kann, sowie Früh- und Alternativfassungen werden auf der Website www.breitkopf.com/bach-edirom publiziert. Diese bietet die Notentexte mit Kommentar, ermöglicht synoptische Darstellungen sowie ein gezieltes Ansteuern einzelner Takte und bietet damit eine bessere und schnellere Übersicht, als es bei einer Druckwiedergabe möglich ist. Die online angebotenen Alternativfassungen und Incerta können auch ausgedruckt werden.

Ist ein Werk in mehreren authentischen Fassungen überliefert, so werden alle Fassungen abgedruckt, sofern sie sich substantiell voneinander unterscheiden. Dabei wird – sofern die Chronologie feststellbar ist – die späteste („Haupt“-) Fassung zuerst geboten und danach die Frühfassung(en).

Unvollendete und fragmentarisch überlieferte Werke werden ebenso behandelt wie vollständige, im Allgemeinen aber nicht ergänzt.

Die Ausgabe erscheint in zehn Bänden:

Freie Werke
1/2 Präludien und Fugen
3 Fantasien und Fugen, einzelne Fugen
4 Toccaten und Fugen, Einzelwerke
5 Sonaten, Trios, Konzerte
Choralgebundene Werke
6 In Originaldrucken überlieferte Werke (Clavierübung III, Schübler-Choräle, Canonische Veränderungen in der Stich- und Autograph-Fassung)
7/8 Originale Sammlungen in autographer Überlieferung (Orgelbüchlein, die früher so genannten Achtzehn Choräle) mit den abweichenden Frühfassungen
9/10 Choralpartiten, einzeln überlieferte Choralbearbeitungen (einschließlich der Choräle der Neumeister-Sammlung)

Jeder Band enthält außer dem Notenteil eine Einleitung und einen Kommentar. Die Einleitung gibt eine dem aktuellen Forschungsstand entsprechende Einführung in die edierten Werke (Stellung in Bachs OEuvre, Werkgeschichte, Überlieferung, ggf. Authentizität, gelegentlich Hinweise zur Aufführungspraxis). Der Kommentar enthält eine Beschreibung und Bewertung der Quellen und gibt Rechenschaft über die Entscheidungen des Herausgebers hinsichtlich der Gestalt des Notentextes. Lesarten, die Bach durch autographe Korrekturen verworfen hat, werden in der Regel nicht mitgeteilt. Die Zielsetzung der Ausgabe, die in erster Linie der Praxis dienen soll, bedingt eine Beschränkung in der Beschreibung der Quellen.

Die Ausgabe bietet den in den Quellen (Originaldrucken, Autographen, Abschriften) überlieferten Notentext, berücksichtigt aber die heute geltenden Gepflogenheiten der Notation. Die besonders in frühen Werken anzutreffende „dorische“ Notierung (d-moll ohne Vorzeichen, g-moll mit einem b) wird beibehalten.

Als Schlüssel finden nur Violin- und Bassschlüssel Verwendung. Werke, in denen das Pedal eine festgelegte Stimme (meist den Bass) ausführt und in dieser Funktion eindeutig zu bestimmen ist, werden mit einem eigenen Pedalsystem notiert, auch wenn in der Quelle nur zwei Systeme verwendet wurden. Wenige Ausnahmen betreffen Stellen mit sehr einfacher Pedalstimme (z. B. Orgelpunkte), wo einer Notation auf zwei Systemen der Vorzug gegeben wird.

Werktitel, die Autographen oder Originaldrucken entnommen sind, erscheinen im Allgemeinen in der originalen Orthographie; wie weit dabei offensichtliche Falschschreibungen richtiggestellt werden, wird im Einzelfall entschieden. Die nur in Abschriften überlieferten Titel werden normiert; die originale Schreibung ist immer aus dem Kommentar zu ersehen.

Ergänzungen von in der Vorlage zweifelsfrei fehlenden Vortrags- und Artikulationszeichen erscheinen in der üblichen graphischen Differenzierung (Strichelung für Bögen, Kleindruck für Vortragszeichen und Akzidentien, eckige Klammern für Vorschlagsnoten). Warnungsakzidentien werden nach praktischer Notwendigkeit und ohne Kennzeichnung ergänzt.

Wiesbaden, Frühjahr 2010 Die Editionsleitung