Jörg Birkenkötter (*1963) with keys ...
4 Stücke für Ensemble mit 2 Klavieren [Ens] 2008/09 Dauer: 17'
Fl(Picc).Ob.2Klar(2-B-Klar).Fg(Kfg) – Hn.2Trp.Pos. – 2Schl – 2Klav – 2Vl.Va.2Vc.Kb
UA: Berlin, 6. März 2009
Ensemble Modern: Was haben Sie in Johannesburg erforscht? Welche Menschen haben Sie kennen gelernt? Haben Sie bei Ihrem Aufenthalt den Fokus auf bestimmte Themen gerichtet?
Jörg Birkenkötter: Ich habe meine Aufmerksamkeit besonders auf die Geschichte der Stadt und des Landes, die historische Entwicklung und verbunden damit die Frage nach der heutigen gesellschaftlichen Situation gerichtet. Dabei hat mich besonders interessiert, wie sich die Vielfalt der Sprachen und die Vielzahl der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im alltäglichen Leben, aber auch in der Kunst, Literatur und Musik widerspiegeln. – Und: resultiert daraus ein spezifischer Klang Johannesburgs?
EM: Gab es beeindruckende Entdeckungen oder einschneidende Erlebnisse, die Eingang in Ihr Werk finden werden?
JB: Sehr beeindruckend war der Besuch des Constitutional Hill, ehemaliges Gefängnis und heute Sitz des Verfassungsgerichts. Ein bedrückender und gleichzeitig Hoffnung stiftender Ort durch die direkte Konfrontation der menschenverachtenden Apartheidpolitik der Vergangenheit mit der wunderbaren, liberalen Verfassung des heutigen Südafrikas. Weiterhin war ich sehr beeindruckt von zwei Besuchen in Soweto, zusammen mit einem (weißen) Improvisationsmusiker, der dort Workshops mit (schwarzen) Kindern und Jugendlichen macht. Sie spielen auf aus Müll gebauten Instrumenten und entwickeln dabei eine unglaubliche Dynamik und körperliche Intensität. Hier konnte ich das vielfach beschworene „vibrierende“ Johannesburg tatsächlich direkt erleben. Am beeindruckendsten und meine Musik sicherlich am meisten prägend war jedoch die trotz der angespannten sozialen Situation unglaubliche Offenheit und Freundlichkeit fast aller Menschen, denen ich begegnet bin.
EM: Wie transformieren Sie das Erlebte in Musik? (Haben Sie Ihre Eindrücke von der Stadt beispielsweise medial festgehalten?)
JB: Ich habe verschiedene Tonbandaufnahmen gemacht, um den spezifischen Klang der Stadt einzufangen, in der Natur, in den Straßen, in Kneipen, bei den Kids in Soweto, bei eigenartigen Gottesdiensten ganz kleiner schwarzer Gemeinden im Freien. Ich habe mich aber dann später entschieden, dieses konkrete Material nicht in meine Komposition zu integrieren.
EM: Welche Bedeutung hat der geschichtliche, kulturelle und politische Hintergrund von Johannesburg für Ihre musikalische Reflexion der Stadt? (Stichwort Migration und das eigene Fremdsein in der Stadt)
JB: Die Thematik hat eine große Rolle in meiner Beschäftigung mit Johannesburg und Südafrika gespielt. Um die komplexe geschichtliche, kulturelle und politische Situation aber wirklich zu verstehen und konkret darauf zu reagieren, ist ein vierwöchiger Aufenthalt einfach nicht ausreichend. …
EM: Haben Sie sich auch mit der Musikkultur Südafrikas auseinander gesetzt und fließt diese in Ihr Werk ein?
JB: Ich habe den Eindruck, es gibt nicht die südafrikanische Musikkultur. Südafrika scheint mir eine Art Sammelbecken aller möglichen Einflüsse zu sein, die sich gegenseitig befruchten, durchdringen, verändern – aber zum Teil auch nivellieren: allzu vieles schien mir übermäßig überformt von einem Mainstream-Pop. Trotzdem hat der musikalische Gesamteindruck die Konzeption meines Stückes klar geprägt, denn die schon erwähnte Freundlichkeit war auch in der meisten hier gehörten Musik sehr deutlich spürbar und unter den Musikern unterschiedlichster Herkunft, die ich kennen gelernt habe, gab es offensichtlich keinerlei ethnische Konflikte. Ich habe daher versucht, eine im besten Sinne unterhaltsame, spielerisch leichte (vielleicht: glückliche?) Musik zu schreiben, die sich jedoch ihrer Bedrohtheit bewusst ist und diese auch nicht verschweigt. Dieser Ansatz wurde dann allerdings, kaum dass ich mit der Arbeit richtig begonnen hatte, auf eine harte Probe gestellt. Denn kurz nach meiner Rückkehr brach die Gewalt in Johannesburg ja bekanntlich in mörderischer Form offen aus. Der letzte Teil meines Werkes verhält sich daher eher fragend-hinterfragend zu dem Gesamtansatz.
1. (... time and chance) |
2. (... no lions?) |
3. (... Good Hope) |
4. (... eleven plus - and now?) |