Johann Nepomuk David (1895–1977) Säerspruch
[GCh] 1937 Dauer: 4' Text: Conrad Ferdinand Meyer
David widmete den Abiturienten der Thomasschule eine Vertonung des Säerspruches von Conrad Ferdinand Meyer, die bei der diesjährigen Schlußfeier zur Aufführung kam.
(Zeitschrift für Musik, Mai 1937, Seite 590)
4 Seiten | 19 x 27 cm | 10 g | ISMN: 979-0-004-41067-7
Angeregt durch diesen Hinweis fand der Herausgeber die weithin unbekannt gebliebene Motette vor einigen Jahren im Archiv des Leipziger Thomanerchores.
Leider muß das Autograph als verschollen gelten; es befindet sich weder im Verlagsarchiv Breitkopf & Härtel, wo von dem Werk ein Privatdruck von 50 Exemplaren hergestellt worden war, noch konnte es in den dem Herausgeber bekannten und zugänglichen Teilen des Karl-Straube-Nachlasses entdeckt werden. Nachdem Straube 1943 den gleichen unersetzlichen Verlust seiner persönlichen Habe hatte hinnehmen müssen wie Johann Nepomuk David, besteht wenig Hoffnung, daß das Original wiedergefunden werden kann. Selbstverständlich wurde zunächst J.N. David selbst befragt.
Die Uraufführung der Motette sangen die Thomaner während einer Entlassungsfeier in der Thomasschule am 20. März 1937, also noch unter Leitung Straubes, der sie auch in den beiden folgenden Jahren (am 12. März 1938 und 8. März 1939) noch dirigierte. Erst 41 Jahre nach seiner Entstehung, am 5. Mai 1978, erklang der Säerspruch wieder, diesmal vor einer breiteren Öffentlichkeit; in der Stuttgarter Stiftskirche war die „Stunde der Kirchenmusik“ aus Anlass der Gründung der „Internationalen Johann-Nepomuk-David-Gesellschaft“ ganz dem Schaffen Davids gewidmet. Es sang der Kammerchor Stuttgart unter Frieder Bernius.
Bei der Feststellung des Kompositionsdatums der Motette sind wir bis auf weiteres auf das Datum der Uraufführung, also Frühjahr 1937 (terminus ante quem), verwiesen. Dem Herausgeber stand als Vorlage ein Exemplar des oben erwähnten Privatdrucks (Plattennummer G.D. 44) zur Verfügung, welches Thomaskantor Professor Hans-Joachim Rotzsch dankenswerterweise dem J.-N.-David-Archiv überlassen hat. Die Erteilung mancher Auskünfte über das Werk verdankt der Herausgeber dem Direktor des Thomanerchores, Obendorf. Schließlich hat Frau Berta David, Stuttgart, bereitwilligst dieser Ausgabe zugestimmt.
In der kompositorischen Dichte der Textausdeutung nimmt der Säerspruch eine durchaus bedeutsame Stellung ein. Seit dem „Spruch nach Angelus Silesius“, der bereits 1927 entstanden war, ist die C.-F.-Meyer-Vertonung (abgesehen von Frühwerken) die erste cantus-firmus-freie Komposition für Chor und lässt als Höhepunkt einer Entwicklung die Evangelienmotetten von 1957/58 vorausahnen. Der Tonumfang der einzelnen Stimmen – bei David oft ein kritisches Moment – birgt hier keinerlei Probleme.
Die lateinische Sprache in Widmung und Titel verweist auf den humanistischen Anspruch des Komponisten, der ihm bereits als Sängerknabe in St. Florian wesentlich geworden war. Davids Säerspruch ist einmal eine freundliche und dankbare Geste gegenüber jenem traditionsreichen Chor, der unter Straubes Leitung nahezu alle Motetten jener Jahre uraufführte; zum anderen aber ist er ein Dokument enger persönlicher Freunaschaft zum Thomaskantor, der den Komponisten wahrscheinlich auch zur Vertonung dieser Worte ermuntert hat.
Bernhard Albert Kohl, Johann-Nepomuk-David-Archiv, Freiburg im Breisgau, Januar 1979