August Enna (1859–1939)

Zwei große Leidenschaften kennzeichnen Ennas Schaffen: die Liebe zur Oper und die Liebe zu H. Chr. Andersens Märchen. Die Oper war Ennas Metier und machte ihn zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende zu einem der erfolgreichsten nordischen Komponisten.

Ennas Zuneigung zu Hans Christian Andersen war eine eher persönliche Angelegenheit. Andersens Märchen ergriffen Enna ganz unverkennbar und inspirierten ihn zu Balletten, Klavierstücken, Liedern, Orchesterwerken und eben auch zu Opern. Vielleicht fühlte er sich dem Dichter ja durch ein ähnliches Schicksal verbunden: Enna wie Andersen kamen aus bescheidenen Verhältnissen und wurden internationale Berühmtheiten, blieben dabei aber im dänischen Kulturleben doch so etwas wie Außenseiter oder hässliche Entlein, die wohl oder übel auffielen.

August Enna (1859-1939) war bei armen Leuten aus Lolland aufgewachsen, und Hans Christian Andersen (1805-1875) stammte aus dem fast genauso provinziellen Odense. Beide waren Söhne von Schustern. Enna war überdies von exotischer Herkunft, und das wurde damals nicht so leicht akzeptiert. Sein Großvater väterlicherseits, ein Sizilianer, war aus Napoleons Armee desertiert, hatte in Hamburg eine Jüdin geheiratet und war schließlich in Dänemark gelandet. Anfangs schien es, als sollte sich Ennas Leben ebenfalls auf das Dasein eines Schusters beschränken; doch der Knabe war musikalisch und erhielt die Erlaubnis, in Kopenhagen sein Glück zu suchen ganz wie Hans Christian Andersen. Einige Jahre arbeitete Enna im In- und Ausland als Geiger und Dirigent. Er komponierte bereits als Jugendlicher und war auf diesem Gebiet weitgehend Autodidakt. Als Niels W. Gade, der König des dänischen Musiklebens, für ihn anerkennende Worte fand, war sein Erfolg gewährleistet.

Bald jedoch sollte Enna musikalische Pfade beschreiten, die sich erheblich von dem Stil des konservativen Gade unterschieden. Enna hatte erstmals einige Partituren Wagners in die Hände bekommen, und diese veranlassten ihn, sein gesamtes frühes Schaffen zurückzuziehen. Entschiedene Einflüsse verdankte er auch der damaligen italienischen Oper. Sein Durchbruch gelang ihm 1892, als er seine „Hexe“ auf die Bühne brachte, eine äußerst dramatische und für dänische Verhältnisse ganz untypische Schöpfung. Im Laufe von vier Jahrzehnten schrieb Enna insgesamt mehr als zwanzig Opern und Operetten, von denen sich viele in Deutschland und Mitteleuropa großer Beliebtheit erfreuten. Allein „Die Hexe“ wurde an nicht weniger als vierzig europäischen Theatern aufgeführt.

Zu Ennas markantesten Werken nach Andersen gehören die Opern „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“, „Die Prinzessin auf der Erbse“, „Ib und die kleine Christine“ und „Die Nachtigall“, das Ballett „Die Hirtin und der Schornsteinfeger“, das Oratorium „Historien om en Moder“ (Mutterliebe) zwei Orchesterwerke, die Festouvertüre „Hans Christian Andersen“ und die symphonischen Bilder „Märchen“.

(Jens Cornelius, aus dem Booklet zu „August Enna - Orchesterwerke“, CD cpo, 2010)