Robert HP Platz (*1951) DUNKLES HAUS
Musiktheater in 11 Phasen 1990/91 Dauer: 75' Text: Claus Litterscheid und Heiner Müller
Soli: SBar -.Spr – 0.A-Fl.Blfl.1.1(Kb-Klar).0. – 1.1.1.0. – Klav – Str: 1.0.1.1.1. – 2 Tb
Uraufführung: München, 6. Juni 1991
Libretto: Claus Litterscheid (Phasen I - X) und Text Piece noire II von Heiner Müller (Bildbeschreibung) (Phase XI)
Personen: Frau (Sopran) - Mann (Bariton) - Kind/Vogel/Alter Mann (Sprechrolle)
Zu Beginn eine kurze Entwarnung: Wenn auch die Überschrift eine stark theoretisch geprägte Einführung in meine Musik vermuten läßt, so möchte ich doch lieber von meiner Musik erzählen als ihre Theorie ausbreiten. Ich neige Jean Baudrillard zu, der schrieb: »Man seziert nicht das Kind, das man in die Welt setzt.« Es ist oft gesagt worden, meine Musik sei stark strukturell geprägt. Einerseits stimmt dies; es führt aber trotzdem in die Irre, da die sinnliche Erfahrbarkeit von Musik für mich untrennbar mit ihren strukturellen Grundlagen verbunden ist und eine Überbetonung der einen Seite nur auf Kosten der anderen Seite möglich ist. Musikhören ist gleichermaßen intellektuell und sinnlich, ja eine geistige Erfahrung, die weit über Formulier- oder Erklärbares hinausgeht.
Immerhin - das strukturelle Moment in meiner Musik läßt sich in etwa beschreiben:
So wie der russische Dichter Valimir Chlebnicov seinen Text ZANGEKI eine Erzählung aus Erzählungen höherer Ordnung nannte (weil sein Material nicht Laute, nicht Worte, nicht einmal Sätze, sondern Erzählungen niederer Ordnung war), besteht meine Musik oft aus mehreren »Musiken« höherer Ordnung, die sich gegenseitig überlappen, ergänzen, kommentieren als bereits vorauskomponiertes Material.
Bausteine 1. Ordnung: wären die üblicherweise als »Material« bezeichneten Tonhöhen, -dauern, -intensitäten usf.
Bausteine 2. Ordnung: das Stück im Kleinen, extrem reduziert und doch spiel- oder hörbar: klingendes Formschema.
3. Ordnung: einzelne Passagen, Schichten (Ausarbeitungen/ Ausweitungen von Bausteinen 2. Ordnung).
4. Ordnung: einzelne Sätze, oder, wie in DUNKLES HAUS: Szenen.
Die 5. Ordnung gilt schließlich der Überlagerung, Kommentierung, Verschachtelung einzelner Sätze (in DUNKLES HAUS Zusammenfassung mehrerer Szenen in »Phasen«). Hier werden Verbindungen komponiert - gleichzeitig ablaufende Szenen werden einem Verknüpfungsprozeß unterworfen, der sich zwischen den Extremen von scharf zerschnittenem Nebeneinander und völliger Verschmelzung bewegt. Auch dies mag wieder Material werden für eine 6. Ordnung, in der mehrere Stücke gleichzeitig erklingen, eine 7. (mehrere Programme) und weiter, über soziale Polyphonien bis zur letzten: Entropie, weißes Rauschen. (Robert HP Platz)
Platz Partitur birgt weite Abschnitte sehr klangschön fließender Musik,
die ruhig über große Flächen ausgebreitet wird, die sich organisch
entfalten, sich langsam steigern und schließlich immens verdichten darf.
Und dieser Komponist ist Konstruktivist genug, nicht bloß interessante
Schönklänge bieten zu wollen. Seine Komposition ist nach allen
Strukturregeln der Avantgarde gebaut - die spieltechnischen
Anforderungen sind immens und wurden bravourös gemeistert. (Wolfgang
Schreiber in der Süddeutschen Zeitung)
CD:
Bayerische Staatsoper, Ltg. Robert HP Platz
Thorofon Classics
CTH 2170